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Einleitung

Es läuft bestens mit dem neuen Handy. Das Modell hatte ja auch etwas mehr

gekostet als ein »Normales«. Eine lohnenswerte Investition? Bestimmt!

Ernüchterung

Geraume Zeit später.

Die Videobegeisterung hat sich gelegt. Am Abend gibt’s wieder die bekann­

ten Fernsehserien. Bei Omabesuchen Alltagsgeschichten zum selbst geba­

ckenen Kuchen austauschen – wie früher. Fotos aus dem Garten mit schnee­

bedeckten Frühblühern sind interessanter als Videoaufnahmen aus dem

Wintersportgebiet. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der jüngste

Spross den vereisten Idiotenhügel ohne Hilfe und Blessuren bezwungen hat.

Erinnerungsfotos – mit dem teuren Handy fotografiert – reichen als Winter­

urlaubsbeleg.

Im Sportverein wird die kommende Saison geplant. Anders als vor einem

Jahr – da war das Superhandy noch der Renner und die Sportfreunde stürz­

ten sich auf das gedrehte Material – geht der Vorschlag, wenigstens einige

Wettkämpfe mit der Videokamera aufzunehmen, im allgemeinen Organisa­

tionschaos unter.

Auch das Projekt Firmenvideo fand keinen rühmlichen Abschluss. Dabei

legte sich der Chef mächtig ins Zeug und beschrieb wortreich, wie das Un­

ternehmen im Video »rüberkommen« solle. Moderne Arbeitsplätze zeigen,

Weltklasseprodukte präsentieren, den vor einem Jahr errichteten Neubau ins

Bild setzen. Im Video wurde viel gezeigt und noch mehr geschwenkt. Auf dem

häuslichen Computer war inzwischen ein Videoschnittprogramm installiert,

doch der Chef wirkte nicht besonders glücklich, wenn er das Firmenvideo be­

trachtete. Sogar die Kollegen gingen in Deckung, wenn das Smartphone mit

der SuperCam aus der Hosentasche geholt wurde. Das Firmenvideoprojekt

verlief irgendwann im Sande – ganz stillschweigend.

Die Begeisterung für die tolle Handycam mit 2K-Auflösung zerbröselte rest­

los, nachdem ein Kollege im Zuge der Verlängerung des Mobilfunkvertrags

ein neues, noch moderneres Handy mit 4K-Auflösung und x anderen Fea­

tures in Besitz nehmen konnte.

In einer Stunde der Besinnung waberte plötzlich der Gedanke durch den

Kopf, weshalb die Familie Serien und Krimis im TV, die Sportgruppe eine

Wandzeitung mit Fotos und der Chef Prospekte und Werbekugelschreiber

einem selbst gedrehten Video bevorzugen.